Lore Klar

 
Bilder als Unterwegssein - "Reisekleider" von Lore Klar
 
 

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Man reist ja nicht um anzukommen.
J. W. Goethe

Reisen bildet. Im Fall der Essener Künstlerin Lore Klar sogar buchstäblich. Fast vierzig Jahre lang unterrichtete die gebürtige Bremerin, die seit 1979 in der Ruhrmetropole lebt, als Realschullehrerin Kunst, Erdkunde und Englisch. Erdkunde blieb dabei für die weltgewandte Kreative keineswegs eine Buchwissenschaft. Vielmehr erfuhr sie den Globus auf einer Vielzahl von Fernreisen in weite Teile Fernosts, Nordafrikas, Nord- und Südamerikas sowie fast alle Länder Europas.

Motiviert durch Wissensdurst und Fernweh (das sie für eine typisch deutsche Eigenschaft hält) erlebte sie die Welt gleichwohl als globales Dorf. Davon zeugt etwa ihre Werkgruppe "Zweite Haut". Für diese minimalistischen Collagen schneidet sie Shirt-Silhouetten aus Ansichtspostkarten und klebt sie auf geografisches Material: so prangt eine Hemdbrust aus isländischen Geysiren auf dem Hafenplan von Hongkong, oder balinesische Traumstrände werden mit einem Rüttenscheider Stadtplanausriß kombiniert. In der Verbindung von Gewandformen mit Landkarten und Stadtplänen verarbeitet Lore Klar nicht nur ganz unmittelbar ihre persönlichen Reiseeindrücke und Erinnerungen. Vielmehr offenbart sie die Universalität unserer Sehnsüchte nach Ur-Typen der Landschaftswahrnehmung oder den immer gleichen Sonnenuntergängen. Zugleich stellt sich die Suche nach dem vermeintlich Fremden als vergeblich heraus, da wir das "Andere" doch jeweils mit dem Eigenen und Bekannten vergleichen müssen.

Das Zusammenrücken und Verschmelzen von Kulturen durch Globalisierung wird besonders deutlich in Lore Klars "Reisekleidern". Der Terminus "Reiskleider" bezieht sich ursprünglich auf eine Epoche, in der sich auch Damen anschickten, den häuslichen Radius zu verlassen: Seit dem 19. Jahrhundert bezeichnete man damit ein Outfit, das sich vor allem durch größere Schlichtheit und höhere Strapazierfähigkeit sowie mehr Bewegungsfähigkeit auszeichnete. Die "Reisekleider" der Essener Künstlerin bestehen aus bedruckten Plastiktüten, die sie von ihren Exkursionen mitbringt: an einem meist ärmellosen Oberteil wird ein gerüschter, gebauschter oder gefälteter Rock montiert. Lore Klars kombinatorischen Gestaltungsstrategien verdanken sich dabei so extravagante Begegnungen wie zwischen dem Logo des Stahlwerks in Qatar mit Motiven auf einem Souvenir-Bag aus dem Museum for the American Indian, New York. Oder das Konterfei James Deans schmückt die Brust eines Plastikkleides im Cocktail-Stil, während Volants aus Keksverpackungen an einem Rockteil gülden schimmern, das aus einer Tüte des Zhuhai Hotels in Guandong gebildet wird.

Anhand der "Reisekleider" lassen sich nicht nur die wunderreichen Wege der Künstlerin nachvollziehen, sondern auch eigene Traumreisen veranstalten, denn welche Geschichte könnte sich an genau jenen Orten abgespielt haben, von denen die Mitbringsel stammen? Worin könnte ihre geheime Verbindung bestehen?

Prof. Dr. Anna Zika, im essenz- Magazin 5/2007